Selbsterfahrungen

In einer auf beruflichem Anlaß 1999 geplanten und in 2000 und 2001 durchgefuhrten Fortbildung zum "Suchtberater" ging es nicht einfach um die Aneignung isolierten fachlichen Faktenwissens.

Wie es der Suchtmediziner Walther Lechler, Klinik Bad Herrenalb, ausdrückt, ist nicht die auffallende Störung die Krankheit, diese Störung ist nur das Symptom für eine tiefersitzende Erkrankung des ganzen Menschen, oder auch des "Systems". Der Trinker ist auf seine Weise erschreickend ehrlich, sagt Waler Lechler, mit seiner stinkenden Fahne zeigt er uns, der Gesellschaft, dem System, was er von uns hält, wie es ihm stinkt. Dieses sollte als ein Warnsignal gesehen werden, daß uns zeigt, daß hier Leben in irgendeiner Form nicht gelungen ist.

Wie Leben gelingen kann, zeigt Eckhard Schiffer,Autor des Bu ches „Warum Huckleberry Finn nicht süchtig wurde“, in einem  pädagogischen Vortrag auf, .

In seinem Vortrag Lebensfreude, Lehr- und Lernfreude in der Schule und anderswo“ stellt er aber auch eine Verbindung her zur bedrängenden Frage, warum heute soviele Kinder und Jugendliche Verhaltensauffälligkeiten wie auch Allergien aufweisen bis hin zu Störungen wie ADHS, die dann mit Ergotherapie und anderen Maßnahmen bis hin zu Ritalin behandelt werden.

Wie es auch in der Systemischen Therapie gesehen wird, daß in einem Familiensystem die Erwachsenen eine Störung aufweisen, die das ganze System ins Ungleichgewicht bringt: meist übernimmt dann ein schwächeres Mitglied in diesem Familiensystem ein krankhaftes Symptom, oder es wird unbewußt in die Rolle eines Symptomträgers hineingedrängt, ist dieses schwächere Familienmitglied ein Kind könnte Bettnässen ein Symptom sein, ältere Mitglieder beginnen mit krankhaftem Trinken; sie „opfern“ sich, um das Familiensystem wieder ins Gleichgewicht zu bringen. Nun wenden sich alle von ihrer Störung ab, wenden sich dem kranken Kind zu oder dem trinkenden Ehemann, bringen dieses krankhaft gestörte Famiienmitglied in eine Therapie; geraten sie dabei an einen erfahrenen, systemisch arbeitenden Therapeuten, wird dieser sich weigern, nur das „gestörte“ Kind oder den trinkenden Ehemann zu behandeln, wenn die Anderen sich nicht in die Therapie einbeziehen lassen.

Auf eine mögliche Verursachung solcher krankhaften Störungen in Beziehungssystemen weist der Autor in seinem Vortrag hin, wie auch in dem eingangs erwähnten Buch, und die Schlußfolgerung ist ja auch: Huckleberry Finn brauchte kein Ritalin, er wurde auch nicht süchtig, obwohl er mit seinem Freund Tom Sawyer gerne einen getrunken hat.

Unser Innenleben wird reich, wenn wir als Kinder die Chance haben, uns wie auf

dem Bruegel-Bild »Kinderspiele« von Pieter Breughel, 1560 http://www.eckhard-schiffer.de/vortagstexte/1075-1086.pdf mit all unseren Sinnen und unserer motorischen Kompetenz zu

entfalten.

Jedoch – wie wir alle wissen – spielen Kinder heute kaum noch „auf der Straße, auf

der Wiese, im Wald ...“

Im Gegenteil, sie verpassen sich selbst freiwillig das, was zu meiner Jugendzeit noch

das Allerschrecklichste war, nämlich Stubenarrest! (Renate Zimmer)“

der Autor schildert dann ein durch diese fatale Fehlenwicklung gestörtes Kind:

Klausi hat kein starkes Kohärenzgefühl. Er frisst Süßigkeiten und Pommes, trinkt

Cola, lernt schlecht, wird dümmer und immer trauriger.

Und das Traurigste: Klausi kann dann zehn bis fünfzehn Jahre später auch mit

seinen Kindern nicht mehr spielen.

Bedrückend ist, dass viele Eltern zu ihrer eigenen Kinder- und Jugendzeit

abenteuernde Welterfahrung mit allen Sinnen gegen diesen freiwilligen Stubenarrest

eingetauscht haben.“

 

http://www.eckhard-schiffer.de/aktuelles/Stuttgart-01-12-08.pdf